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Fahrtzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz = Arbeitszeit?


Beginnen soll der Blog mit einer Entscheidung des EuGH zu dem Thema "Arbeitszeit"

(Entscheidung des EugH vom

10. September 2015,

Aktenzeichen C-266/14):

Danach stellen Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, Arbeitszeit dar. Grundsätzlich stellt die Zeit, die ein Arbeitnehmer von seinem Wohnort zum Arbeitsplatz braucht, keine Arbeitszeit dar. Entsprechend der einschlägigen europäischen Richtlinie ist Arbeitszeit als jede Zeitspanne definiert, während derer ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Jede Zeitspanne, die keine Arbeitszeit ist, gilt als Ruhezeit. Die Arbeitnehmer waren in dem vorliegenden Fall als Außendienstmitarbeiter einer Sicherheitsfirma beschäftigt und der Arbeitgeber rechnete die Fahrzeit mit dem Kraftfahrzeug zwischen dem Wohnort seiner Mitarbeiter und dem ersten und letzten Kunden nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit. Der EuGH hat in dem oben genannten Sinne entschieden. Nach Ansicht des EuGH stehen Arbeitnehmer während der Fahrzeiten mit einem Auto dem Arbeitgeber zur Verfügung. Während der Fahrten unterstehen die Arbeitnehmer den Anweisungen ihres Arbeitgeber. Während der erforderlichen Fahrzeit, die sich zumeist nicht verkürzen lässt, haben die Arbeitnehmer somit nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen.

Fragestellungen zu Arbeitszeiten und damit zusammenhängenden Fahrten spielen in vielen arbeitsrechtlichen Konstellationen ein große Rolle. Zum Beispiel vergeben Kommunen Fahrdienste für Schüler nach erfolgter Ausschreibung. Der Fahrdienst findet zwei Mal am Tag statt. Morgens von der Wohnung der Kinder zur Schule und Nachmittags von der Schule nach zur Wohnung der Kinder. Eine Arbeitgeber, der den Weg vom Wohnort des Fahrer bis zum ersten Schüler und von Schule zum Wohnort des Fahrers nicht als Arbeitszeit wertet, "reduziert" ganz erheblich die Arbeitszeit des Fahrers. Der Fahrer ist in einem solchen Arbeitsverhältnis viele Stunden blockiert und an einer anderweitigen Verwertung seiner Arbeitskraft gehindert. Wer einen solchen Arbeitsvertrag hat, sollte sich vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH dringend rechtlich beraten lassen. Auch das Bundesarbeitsgericht wird seine bisherige Rechtsprechung zu Dienstreisen (Urteil vom 11.7.2006) wohl so nicht mehr aufrecht erhalten können. Bisher galt: "Die Wegezeiten (Dauer der Hin- und Rückfahrt) einer Dienstreise gelten nicht als Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs 1 ArbZG, wenn der Arbeitgeber lediglich die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorgibt und dem Arbeitnehmer überlassen bleibt, wie er die Zeit nutzt." Dem Arbeitnehmer bleibt nämlich gerade nicht überlassen, wie er seine Zeit in einem öffentlichen Verkehrsmittel nutzt. Der Arbeitnehmer kann sich zwar ausruhen, lesen, telefonieren etc. Er kann aber nicht frei über seine Zeit verfügen, indem er anderen Freizeitbetätigungen nachgeht, die seinen Wünschen und Gepflogenheiten während der betreffenden Zeit entsprechen. Bei richtlinienkonformer Auslegung muss die auf Dienstreisen verbrachte Zeit als Arbeitszeit gewertet werden.


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